DIE FRAU EINES MODELLBAUERS ERZÄHLT…
Nichts ahnend betrat ich eines Tages unsere Wohnung und blieb wie angewurzelt stehen.
Mein Blick schweifte über Möbel und Fußboden, alles war mit einer weißen, pudrigen Schicht überzogen. Mein Mann saß mit strahlenden Augen inmitten dieses Schlachtfeldes und erklärte mir: „Es ist nur Balsastaub.“In diesem Augenblick war es mir klar – ich bin mit einem Modellbauer verheiratet! Modellbau, egal um welche Modelle es sich handelt – ob Schiffe oder Flugzeuge - ist kein Hobby, sondern eher ein Zustand. Ein Modellbauer wird nie damit zufrieden sein nur ein Modell zu besitzen, nein, er benötigt dutzende. Bei Modellsegelbooten alleine gibt es schon 3 Klassen und dann erst bei Motorbooten oder Elektroboote. Der Anzahl der dringend benötigten Boote sind keine Grenzen gesetzt. Allerdings gibt es noch ein Problem, denn man kann nicht immer nur Bootfahren, es müssen also auch Modellflugzeuge her. Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Wasserflugzeuge, wenn ein See in der Nähe ist, oder ein Hangsegler, dazu braucht man einen Berg. Welcher Berg ist der Richtige, denn auch die Landemöglichkeiten müssen stimmen – keine Bäume und Felsen – nur Wiese. Im Winter geht gar nichts auf dem Wasser, was macht findige Modellbauer? Eine Eisenbahnanlage, das wäre was, da kann er bei der Landschaftsgestaltung seinen Baudrang ausleben. Alles muss sehr schön bunt sein. Seit mein Mann seine Modelle selbst bemalt, haben wir eine Sammlung von Lackdosen, die jeden Farbenhändler vor Neid erblassen lassen. Diese bunten Dosen schmücken einen Haushalt ungemein.
Als Angetraute eines Modellbauers entwickelt man sich allmählich zu einer Expertin im Entfernen von Flecken. Spannlack auf der Tapete, Leimkleckse auf dem Teppich oder Lötzinn in der Gardine entlocken mir stets ein gequältes Lächeln. Sollten sie uns einmal besuchen und dabei an der Türklinke kleben bleiben, machen Sie sich nichts daraus – Weissleim und Kunstharz ist nun mal etwas zäh, aber wir haben genug Azeton für die Reinigung. Besuche sind überhaupt ein heiteres Kapitel. Die Männer meist ebenfalls Modellbauer, lassen zum Beispiel im Bastelzimmer einen Motor Probe laufen. Nicht nur dass es im ganzen Haus dröhnt, nein die Wohnung sieht anschließend aus wie nach einem Gasangriff und der Duft von verbrannten Rizinuns stimuliert die Männer zur Höchstform. Inzwischen versuchen die Frauen, die über Kabel von Ladegeräten stolpern, statisch aufgeladene Styroporkrümel von den Möbeln aufzusammeln. Die Gespräche bestärken mich dann immer in dem Glauben, dass auch andere Frauen ihr Kreuz zu tragen haben und ich nicht alleine bin. Eine konnte Wochenlang ihr Wohnzimmer nicht betreten, da ihr Mann ein Flugmodell von 5 m Spannweite baute – wie gut, dass es einen beheizten Wintergarten gibt. Eine andere wiederum vermisste plötzlich die Perlonbänder ihres Büstenhalters – ihr Gatte hatte diese zu Ruderscharnieren verarbeitet. Eine dritte wollte ihrem Ehegatten eine Freude machen. Als er aus dem Haus war, nahm sie sein Modell, den schmutzigen Motor und die Fernsteuerung und schrubbte alles gründlich bis alles glänzte.
Sie weiß bis heute nicht, warum ihr Mann sich still in eine Ecke setzte und fast weinte…
Solche Episoden aus dem Leben einer Modellbauersfrau könnte man stundenlang fortsetzen. Mein Rat – seien sie gewarnt, sollte ihr Mann vor den Auslagen eines Modellbaugeschäftes plötzlich so einen eigenartigen Glanz in den Augen bekommen, lassen sie ihn rechtzeitig entmündigen. Sollte sich ein Modellbaukollege mit einer Begebenheit identifizieren, so möchte ich sagen: „Es ist rein zufällig“, denn SIE machen doch solche Dinge nicht! Inzwischen bin ich 47 Jahre mit einem Modellbauer verheiratet. Ich habe es geschafft, auch positive Seiten zu finden – ja ich bin fündig geworden. Wir haben alles gemeinsam gemacht – ich war nie alleine zu Hause. Gemeinsam haben wir unsere Urlaube mit den Segelbooten verbracht und sind so in ganz Europa von einem See zu anderen gefahren und es gibt sehr viele. Natürlich bei schönem, aber auch bei sehr schlechtem Wetter – auch Wetterfest muss man werden! Ich habe viele nette Kollegen kennengelernt und wir freuen uns bei jedem Bewerb auf ein Wiedersehen. Zu Hause findet mein Mann beim Basteln eine Beschäftigung die ihm Freude macht – es ist ihm nie fad – auch ein positiver Aspekt!
Eure Dorli